Der Mann, der Träume verkauft

HEIKE GÄTJEN trifft jede Woche Menschen aus Hamburg. Heute: Farhad Vladi, Inselhändler.

Diese Träume wiegen schwer. Mehr als zwei Kilogramm. Heute Abend gehen sie noch auf Reisen. Nach Neuseeland. In Buchform und im Gepäck von Farhad Vladi, dem Inselverkäufer. Als Gastgeschenk für Freunde und auch, weil man ja nie weiß, wen man da so trifft. Leute mit Träumen im Herzen und viel Geld auf dem Konto. Auf dem zwanzigstündigen Flug zu seinem eigenen Traum: Forsyth Island im südlichen Pazifik, wo die Kaschmirziegen sich mit Namen rufen lassen.

Der Mann mit dem schwergewichtigen Katalog unter dem Arm denkt, redet und schwelgt in Inseln. Ohne Punkt und Komma. Mit kindlicher Begeisterung. Höflich, charmant, in leicht nasalem Ton und sehr bezwingend. In Pullover und Jackett, selbst bei diesem Wetter.
Er müsse ja schließlich nur schräg über die Straße gehen, sagt er. Von seinem Büro am Ballindamm. Dieser Straße, an der seine Träume ihre Wurzeln haben. Von Dr. Götze Land & Karte, früher in Nummer 10. Dem Büro seines Vaters in Nummer 9 und seinem eigenen Büro in Nummer 7.
Wie geht das alles zusammen? Das kommt gleich, sagt er. Erst noch mal dies. Er zeigt ins ungewisse Grau hinter der Lombardsbrücke. Da draußen auf der Außenalster gab es auch mal eine Insel. Früher. Bis in die Dreißigerjahre. Eine Badeinsel namens "Alsterlust".

Für 120 Euro pro Tag auf der Isla Robinson Crusoe

Nett und nostalgisch, ja, aber das bringt seine Seele nicht zum Schwingen. Er kauft und verkauft nur Inseln, die von der Natur und nicht von Menschenhand geschaffen sind. Diese ganzen juristischen Fragen. Probleme mit Wind und Wetter, die sich nicht einschätzen lassen und, und…

Wir retten uns vor dem Hamburger Wetter ins Galatea, den Italiener auf der Binnenalster. Kellner Tomaso Dimeglio versucht uns noch schnell seine kleine Wohnung auf Ischia anzupreisen. Sie wissen doch, Anzeigen sind so teuer. Auch ein Traum. Im Kleinformat.
Farhad Vladi denkt in größeren Dimensionen. In Hunderttausendern, in Millionen zum Kaufen. Und in kleineren. Zum Mieten. Um das richtige Inselfeeling zu kriegen. Schlicht und karg für 120 Euro pro Tag auf der chilenischen Isla Robinson Crusoe. Oder ab 54000 Euro pro Woche für die ganze Insel Bonefish Cay in den Bahamas - inklusive Luxus, Personal und Motoryacht.
Zurück erst mal zum Ballindamm Nummer 10. Farhad Vladis Vater handelte dort mit Trockenfrüchten. Mit Aprikosen, Pistazien, Mandeln. Die Familie stammt aus dem Kaukasus, aus Wladikawkas. Daher der Familienname. 1920 kamen sie nach Hamburg. Farhad Vladi wurde hier geboren. In der Frauenklinik an der Johnsallee. Sonnabends und sonntags ging sein Vater ins Büro, um die Post zu holen. Den kleinen Sohn setzte er bei Dr. Götze ab. Du guckst dir jetzt die Globen an, sagte er, ich komm gleich wieder.
So entsteht Fernweh, so werden Träume geboren. Mit zwanzig guckt er sich sein Traumziel auf dem Globus aus. Die Seychellen. Da eine eigene Insel haben! Steckt 100 Mark in einen Umschlag, schickt sie an die "Seychelles Gazette". Aus der geplanten Kleinanzeige wird eine ganze Seite. "Vladi sucht Insel - mein erstes Inserat im Inselgeschäft."

Prominente Kunden wie Johnny Depp und Nicholas Cage

 

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Die erste Insel für 350000 Dollar. Unfinanzierbar. Für ihn. Nicht für andere. Für betuchte Hamburger wie Robert Vogel, Albert Darboven und Baron von Marcard. Danach geht's schnell. Ein Freund der drei träumt von einer Insel in Frankreich. Farhad Vladi macht sich mit seinem klapprigen VW-Käfer auf die Suche.
Dann kam der dritte, vierte, fünfte. "Inseln verkaufen, das war mein Ding." Sein Vater ist anderer Meinung. Hält das für keinen Beruf. Bringt ihn bei der Deutschen Bank unter. Nach eineinhalb Jahren wird aus Farhad Vladi dann endlich der heute weltweit bekannte Inselverkäufer. Mit prominenten Kunden wie Johnny Depp und Nicholas Cage und anderen, deren Namen er aus Diskretion verschweigt.
Geschäftstüchtig sei er schon, sagt er. Aber die Begeisterung sei sein Erfolgsmotor. Mit demselben Spaß könne er höchstens noch Lakritzen verkaufen. Sein Vater importierte auch Süßholzwurzeln, da hat er als Kind immer drauf gekaut. Alles andere - nein. Auf keinen Fall.
Nach knapp zwei Stunden bin auch ich reif für die Insel. Nicht genervt wie Peter Cornelius in seinem Lied. Sondern einfach, weil es so schön sein muss. Ein eigenes Paradies. Weit ab von allem. Draußen im Meer. Ohne Nachbarn, Telefon und Fernsehen.
Das lässt den Profi nachsichtig lächeln. So was läuft bei ihm unter Schnäppchen. Unter schwer absetzbar. Je weiter draußen, je unerschlossener, desto preiswerter. Seine Kunden sind Individualisten: "Menschen, die keine Animateure im Urlaub brauchen", die aber auch Telefon- und Stromleitungen, Wasseraufbereitungsanlagen zu schätzen wissen. Und Nachbarn. In Sichtweite. "Der Mensch ist schließlich ein Herdentier."

Auf seiner Insel hat er das alles. Das Festland ist einen Kilometer entfernt. Wie von hier zur anderen Seite der Binnenalster, sagt er. Da drüben beim Hotel Vier Jahreszeiten. Zum Rüberschwimmen. Genauso wie seine sieben Nachbarn um ihn herum. Auf den anderen Inseln.
Mit Google Earth kann er von Hamburg aus das Dach seines Hauses darauf erkennen. 100 Schafe leben auf der Insel, ein ehemaliges Schafscherer-Ehepaar, 50 Kaschmirziegen und zwei Lamas. Und ein Milchbaum, behördlich eingezäumt und unter Naturschutz gestellt. Einen Pullover aus der Wolle seiner Kaschmirziegen hat er auch. 20 Gramm liefern sie pro Jahr. Das hat also gedauert. Bei dem Alpakawollpullover für seinen kleinen Sohn ging es schneller. Lamas sind einfach größer. Schafe sind nur sein Hobby.

Er schwärmt vom Erhalt des natürlichen Bewuchses seiner Insel. Und schon sind wir bei Zukunftsängsten, bei der Verantwortung für die nächste Generation. "Was nützt es, wenn der Sohn ein vermögens- und steuerrechtlich geordnetes Erbe antreten kann und es keinen Lebensraum mehr für ihn gibt?"
Er engagiert sich in kleinem Rahmen, sagt er bescheiden. Im Weltzukunftsrat, bei der Vergabe des alternativen Nobelpreises. Mit der Planung für eine Fernsehsendung für Schulen zum Thema Umwelt bei Hamburg 1. "Ich bin in einer Welt groß geworden, in der es Wachstum gab, Hoffnung, Spaß und Begeisterung am Leben und das Gefühl, dass man es schaffen kann. Das will ich weitergeben."
Im Jahr 2001 hat sich Farhad Vladi noch einen Traum erfüllt. Hat die insolvente Firma "Dr. Götze Land & Karte" übernommen. Dafür geht er jetzt auch auf Auktionen. Wie im vergangenen Jahr bei Sotheby's. Den ersten Mercator-Atlas von 1595 hätte er gern gehabt. Er kam gar nicht dazu, den Arm zu heben. "Der ging weg für 400000 Pfund." Aber dafür trifft man auch da potenzielle Käufer und Träumer, sagt er lachend.
Einfach mal ohne Visitenkarten und Kataloge auf Reisen gehen.

Und wovon träumt er selber noch? Von nichts eigentlich. Oder doch. Ganz profan. Auf Reisen gehen mit nichts als Flugticket und Kreditkarten in der Jackentasche. Ohne Visitenkartenbündel und dicke Kataloge im Gepäck.
Wie tröstlich doch, dass selbst unerfüllbare Luxusträume so zu Albträumen werden können! Zumindest rein gewichtsmäßig.

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